Hallo ihr Lieben!
Nochmal eine Interpretation... (jaja *gäähn*)
Das war meine Klausur, das heißt, ich musste mir in begrenzter Zeit was Gutes aus den Fingern saugen...
Ich persönlich finde, sie hätte besser sein können, aber dann hätt ich weitere 2 Stunden Zeit gebraucht...
Wie findet ihr die Interpretation?
Der
Vorleser - Episodeninterpretation (Kapitel 13 S. 140-143)
Bernhard
Schlink, der früher Rechtswissenschaften studierte und zeitweilig
als Richter und sogar Verfassungsrichter amtierte, schrieb mit dem
„Vorleser“ seinen ersten Nicht-Kriminalroman, der bereits in 39 Sprachen übersetzt wurde.
Der
Roman handelt von dem 15-jährigen Michael Berg, der aufgrund eines
Zufalls oder vielmehr einer Krankheit auf Hanna Schmitz trifft.
Michael hatte sich damals in einem Innenhof übergeben, als Hanna Schmitz ihm half. Nach seiner Genesung machte er sich auf den Weg zu
ihr, um sich bei ihr für ihre Hilfe zu bedanken. Er besuchte sie
öfter und es entflammte eine erotische Liebschaft. Diese Liebschaft
hielt nur einen Sommer, denn an einem Sommertag war Hanna einfach
verschwunden. Später sah Michael sie während eines
Gerichtsprozesses in seiner Studienzeit als angeklagte wieder.
Dort
erfuhr er von Hannas fürchterlicher, dunkler Vergangenheit und sein
Bild von ihr wurde damit völlig verzerrt.
In der
mir vorliegenden Episode zeigte sich sehr deutlich, dass Michael
nicht wusste, welche Hanna nun die wahre Hanna war, was er damit zu
erklären versuchte, dass seine Phantasiebilder reine Klischees
wären.
Michael
wollte die zwei Wochen, in denen das Gericht nach Israel geflogen
war, ganz seinem Studium widmen. Doch diesen Plan hatte er ohne die
Zustimmung seiner Phantasie gemacht, denn die ließ ihn nicht dazu
kommen. Stattdessen malte die Phantasie in seinem Kopf düstere
Bilder von Hanna. „Ich sah Hanna bei der brennenden Kirche, mit
hartem Gesicht, schwarzer Uniform und Reitpeitsche.“ (vgl. Z. 9f)
Das harte Gesicht und die Reitpeitsche waren verdüsternde Symbole,
die Hanna zu einer boshaften Frau machen sollten und die schwarze
Uniform rundete das Bild einer so bösartigen Frau ab. „Sie tut
alles mit demselben harten Gesicht, mit kalten Augen und schmalem
Mund...“ (vgl. Z. 18f) Es machte den Anschein, als hätte Hanna
keinerlei Gefühlsregung, weder innerlich noch äußerlich. Kalte
Augen erwecken den Eindruck, als wären es tote Augen. Natürlich nur
sinnbildlich gesprochen, aber dennoch mit einem Hauch Wahrheit. Hanna war wie tot, schließlich musste sie Häftlinge aussortieren, damit
das Lager nicht überfüllt wurde, was aber nicht der einzige Grund
dafür ist. Immer nur streng über einem Menschen zu stehen, der
eigentlich nicht anders ist, als man selbst, ständig
herumzukommandieren und bei Nichtbeachtung irgendwelcher Regeln diesen Menschen womöglich auspeitschen zu müssen, macht einen müde
und leer und führte somit wahrscheinlich dazu, dass Hannas Augen
kalt und ohne jegliche Anzeichen von Gefühlen innerlich wirkten. Doch Hanna wirkte nicht nur kalt, sondern sie besaß ein hohes Maß
an Autorität, denn „...die Häftlinge ducken sich, beugen sich
über die Arbeit, drücken sich an die Wand, in die Wand, wollen an
der Wand verschwinden.“ (vgl. Z. 19f) Dass die Häftlinge sich
ducken und über die Arbeit beugen, ist ein Indiz dafür, dass die
Häftlinge Respekt und vielmehr noch Angst vor ihr hatten. Lieber
wandten sie den Blick von ihr ab, um nicht in ihre kalten Augen sehen
zu müssen, um einer Strafe, die vielleicht aus einer Laune heraus entstanden wäre, zu entgehen. In Michaels Phantasie ist Hanna aber
nicht nur kalt und autoritär, sondern sie „steht dazwischen und
schreit Kommandos, das schreiende Gesicht eine hässlich Fratze, und
hilft mit der Reitpeitsche nach.“ (vgl. Z. 22f) Der Vergleich des
schreienden Gesichts mit einer hässlichen Fratze, nahm ihr in
Michaels Gedankenwelt jegliche Schönheit, die sie früher einst
besaß. Aber seit dem Prozess hatte Hanna alles verloren, was Michael
jemals an ihr geliebt hatte. Sie war zu einem düsteren Monster
geworden, dass das Leben von hunderten Menschen auf ihren Schultern
als Bürde zu tragen hatte. Denn sie war schuldig. Schuldig für den
Mord an hunderten von Frauen, weil sie die Tür der Kirche nicht
aufgeschlossen hatte. Doch zwischen all diesen düsteren Bildern der
bösen Hanna, kamen auch auch die schönen Bilder Hannas zum
Vorschein. „Hanna, die in der Küche die Strümpfe anzieht, die vor
der Badewanne das Frottiertuch hält, die mit wehendem Rock auf dem
Fahrrad fährt, die im Arbeitszimmer meines Vaters steht, die vor dem
Spiegel tanzt, die im Schwimmbad zu mir herüber schaut, Hanna, die
mir zuhört, die zu mir redet, die mich anlacht, die mich liebt.“
(vgl. Z. 26ff) Es waren viele Bilder, die Michael an die schöne Zeit mit Hanna erinnerten. Doch die meisten Bilder sind nur kurze
Sequenzen, die in der gemeinsamen Zeit mit Hanna passierten. Jedoch
werden diese schönen Bilder an Hanna jäh zerstört, wenn sie sich
mit den Bildern von Hannas düsterer Seite vermischten. „Hanna, die
mich mit kalten Augen und schmalem Mund liebt, die mir wortlos beim
Vorlesen zuhört und am Ende mit der Hand gegen die Wand schlägt,
die zu mir redet und deren Gesicht zur Fratze wird.“ (vgl. Z. 31ff)
Hier wird deutlich, dass Michael mit den Fragen der Schuld und der
Unschuld kämpft. Kann seine geliebte Hanna wirklich so ein
gefühlskaltes, eisiges Biest sein, das es einfach so hinnahm, dass
hunderte Frauen in einem Feuer sterben, nur damit kein Chaos
entsteht, wenn sie die Türen geöffnet hätten? Und wenn ja, wie
konnte sie die ganze Zeit diese eisige Maske verstecken? War sie so
ein durchtriebenes Luder, das Michael die ganze Zeit nur an der Nase
herumgeführt hatte?
Keiner
weiß so genau, was damals im KZ und später während der Beziehung
mit Michael in ihr vorgegangen ist. Doch Hanna hatte die ganze Zeit
über ein Geheimnis in sich getragen, das sie um keinen Preis der
Welt öffentlich machen wollte. Michael fehlte damals die nötige
Erkenntnis, um Hanna verstehen zu können. Doch später erkannte er
sie und wusste dann endlich, warum Hanna so war, wie sie war. Durch
diese Erkenntnis stand natürlich auch die Schuldfrage in einem
völlig neuen Licht, aber darauf möchte ich jetzt nicht näher eingehen. Was Michael aber wohl am meisten verstörte, „waren die
Träume, in denen mich die harte, herrische, grausame Hanna sexuell
erregte und von denen ich in Sehnsucht, Scham und Empörung aufwachte.“ (vgl. Z. 33ff) Warum wachte er in Sehnsucht auf? Er
sehnte sich nach dem Sex mit Hanna, da sie die Frau war, die ihm
gelehrt hatte, wie man mit Frauen umzugehen hat. Aber er sehnte sich
auch nach Hanna, weil er die Trennung nie richtig verarbeitet hat.
Mit Scham und Empörung ist er aufgewacht, weil er sich auf der einen
Seite vor sich selbst schämte, weil er diese herrische, übermächtige
Hanna sexuell anziehend fand, zum anderen aber auch empört über
sich selbst, wie er so etwas anziehend finden konnte. „Ich wusste,
dass die phantasierten Bilder armselige Klischees waren. Sie wurden
der Hanna, die ich erlebt hatte und erlebte, nicht gerecht.
Gleichwohl waren sie von großer Kraft. Sie zersetzten die erinnerten
Bilder von Hanna und verbanden sich mit den Bildern vom Lager, die
ich im Kopf hatte.“ (vgl. Z. 36ff) Es macht den Eindruck, als suche
Michael in den klischeehaften Bildern eine Entschuldigung dafür,
dass seine Phantasie so merkwürdige, seltsame und schaurige Bilder
entwarf. Doch wenn er sich entschuldigen wollte, dann bleibt doch die
Frage: bei wem? Eigentlich könnte er sich nur bei sich selbst
entschuldigen. Dafür, dass er zuließ, dass in seinem Kopf so
abstrakte Bilder möglich waren. Oder dafür, dass er Hanna zu einem grausamen Menschen verurteilte, obwohl er ihre Gründe zum damaligen
Zeitpunkt noch gar nicht kannte.
Meiner
Meinung nach lässt sich Michael sehr von seiner Phantasie leiten.
Das führt dazu, dass er sich vorschnell ein Urteil bildet, wobei ihm
das nötige Wissen für eine Verurteilung fehlt. In dieser Episode
hat Schlink viel Wert darauf gelegt, sämtliche Details in die
„Hände“ der Bilder zu legen. Das bedeutet, dass er den Bildern,
die in Michaels Phantasie umher gehen, soviel Aussagekraft gegeben
hat, obwohl er sie nur spärlich und einfach beschrieben hat. Diese
Episode kann man aus so vielen Blickwinkeln betrachten, dass noch
Platz für viele weitere Deutungen offen bleibt.
Ich finde du hast die Interpretation toll geschrieben, ich selbst habe das Buch nicht gelesen, sondern nur den Film geschaut... Aber das Buch klingt auch interessant :o Werde ich mir vielleicht mal vornehmen. Wirklich tolle Interpretation! Du kannst gut schreiben :)
AntwortenLöschenHey du Liebe
AntwortenLöschenHast du mein Gewinnspiel schon gesehen? Vielleicht machst du ja mit oder vielleicht machst du sogar ein wenig Werbung dafür. Hier ist auf jeden Fall der Link dazu: http://samtpfotenmitkrallen.blogspot.ch/2013/01/wer-will-dieses-buch.html
Auf jeden Fall ganz liebe Grüsse und ein schönes Wochenende
Eponine